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Okt 2nd, 2023 Comments: 0

Besuch bei DokuFunk in Wien im Jahr 2021 oder der etwas andere Beginn einer Urlaubsreise

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Plurk
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Wir haben 2023, ich liege mit meiner allerersten (!) COVID-19-Infektion flach, bin am Genesen. Das Aufstehen fällt mir noch schwer. Endlich Zeit, den 2021 begonnenen Beitrag fertig zu bekommen. Irgendwie schließt sich der Kreis – 2021 stand diese Infektion deutlich mehr in der öffentlichen Diskussion.

Dokufunk in Wien – Was ist denn das? Dem geneigten Funkamateur sagt vielleicht der Begriff “QSL Collection” etwas. Nun, um das zu verstehen gibt es zwei Erklärungen: eine sehr kurze und eine deutlich längere.

Für die schnellebigen Zeitgenossen: DokuFunk in Wien beim ORF ist die einzige wirklich große (und damit größte und umfassendste) Sammlung von Dokumentation zu Funk und Amateuerfunk weltweit. Und es gibt diese ausgerechnet in einem Land, was mit ca. 5800 zugeteilten Amateurfunkrufzeichen eine eher sehr kleine Anzahl von weltweit ca. 2,8 Millionen Funkamateuren verfügt (verglichen zum Beispiel mit Japan mit 1.3 Millionen, Deutschland mit ca. 75.000 kommt nach den USA, Thailand und Südkorea immerhin auf Platz 5).

Und nun die lange Version mit ein wenig Hintergrundinfo dazu. DokuFunk hat immer auch mit dem Thema Vergangenheit zu tun. Viele der dort aufbewahrten Schätze wurden aus dem Nachlass von Funkamateuren dorthin gerettet. DokuFunk allerdings nur auf Amatuerfunk zu beschränken, würde zu kurz springen, denn das Archiv sammelt umfassender.

Todesfälle begleiteten unsere Reise nach Wien, einer war Anlass der Reise nach Wien, vom zweiten haben wir in Wien erfahren. Fangen wir mal mit dem Anlass an. Vor gut einem Jahr (zu Beginn 2020) war mitten im Corona-Lockdown unser Funkfreund Uwe Heun nach langer Krankheit verstorben. Uwes Rufzeichen war DL5AOJ (sk) (Anmerkung für Nicht-Funkamateuer: bei Verstorbenenen setzen die Funker (sk) dahinter, was so viel wie “silent key”, also “stumme Taste” bedeutet, da er diese nicht mehr betätigen wird) und das am Anfang der Pandemie. Uwe haben bis zuletzt zwei Dinge am Leben gehalten: Seine kleine Tochter und der Amateurfunk. Und rund ein Drittel seiner am Ende sehr kleinen Wohnung bestand aus Amateurfunktechnik, Pokalen, Urkunden und QSL- (für den Nicht-Funker: Bestätigungs-) Karten. Seine Eltern hatten mich um Hilfe bei der Haushaltsauflösung gebeten. Über den Verbleib der Technik hatte Uwe im Testament verfügt. Doch was war mit den Urkunden und QSL-Karten? Eigentlich stellen diese nur einen persönlichen ideellen Wert für den jeweiligen Sammler dar, daher landet so etwas regelmäßig im Wertstoffkreislauf: im Papiermüll. Normalerweise.

Wenn, ja wenn es da nicht vor vielen Jahren jemanden mit einer genialen Idee gegeben hätte, die auch viel mit Wegwerfen zu tun hat. Und da sind wir beim zweiten Todesfall. Diesmal geht es um Wolf Harranth, sein Rufzeichen OE1WHC (sk). Er war der eigentliche Gründer von DokuFunk, einer Sammlung, die auch mit einem abgeschlossen Geschichtskapitel zu tun hat, der Auflösung des Auslandsdienstes des Österreichischen Rundfunks (ORF), genannt Radio Österreich International (ROI). Wolf Harranth hatte dort seit 1974 über viele Jahre eine in Funkamateur- und Kurzwellenhörerkreisen bekannte Radiosendung namens „Kurzwellen-Panorama“ (zuletzt: „Intermedia“) moderiert und sich im Rahmen seiner freien Mitarbeit für den ORF den Ruf eines anerkannten Medienkritikers erarbeitet. Doch mit der Auflösung des Auslandsdienstes Anfang der 2000er Jahre war auch hier Schluss.

Übrig blieb jedoch ein bis dahin wenig beachteter Schatz: Wolf Harranth hatte eine Sammlung zu allen möglichen Artefakten um das Thema Funk begonnen und mit “Wiener Dokumentationsarchiv zur Erforschung der Geschichte des Funkwesens und der elektronischen Medien – Internationales Kuratorium QSL Collection (kurz Dokumentationsarchiv Funk bzw. Dokufunk” initiiert und ein sehr umfassendes Archiv in den Räumen des ORF aufgebaut.

Durch Zufall war ich über einen Artikel in der CQ-DL gestolpert, wo DokuFunk vorgestellt wurde. Wäre Uwes Nachlass dort nicht besser aufgehoben als in der Papiertonne? Also erst einmal alles in einen großen Karton und weiter sehen. Auf eine E-Mail meldete sich Paulina Petri (OE1YPP), wie sich herausstellte, die geschäftsführende Kuratorin und meinte, dass (wir hatten Anfang 2020) derzeit nicht bringen könne, weil sie pandemiebedingt im HomeOffice arbeiten muss, aber das Archiv grundsätzlich interessiert sei. Die Kiste sollte dann pandemiebedingt noch 1 Jahr bei uns im Club stehen.

2021 hatten meine Partnerin Anne und ich beschlossen, uns für den dann hoffentlich möglichen Sommerurlaub einen Campervan zu mieten und in mehreren Etappen den Süden zu fahren. Da kam mir die Kiste wieder in den Sinn, die noch im Club in Ilmenau stand, das schlechte Gewissen nagte. Die Reise wurde also über Wien geplant. Anfang September ging es dann bei Leipzig los.

Verladen der extrem schweren Kiste vom Kasten-PKW in den Camper, als Hilfe diente eine Leiter 😉

In mehreren Etappen (Regensburg, Passau, …) erreichten wir dann Wien. Dort angekommen geriet trotzt Google Maps die Suche nach dem ORF Betriebsgelände erst einmal zur sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen, zu unscheinbar war die kleine Einfahrt im Gewerbegebiet von der Straße aus zu sehen.

Wer vermutet hinter diesem Tor schon den ORF (lassen wir mal den kleinen Texthinweis oben ausgeblendet)?

Der Pförtner (die Ösis sagen glaube ich noch Portier) war vorbereitet, wir waren avisiert und durften aufs Gelände, mit dem Camper und den Fahrrädern am Heckträger aber nicht unbedingt zu den dort parkenden Fahrzeugen kompatibel.

In dieser merkwürdig aussehenden Halle ist auch DokuFunk untergebracht. Dem ORF und vielen privaten Spendern sei Dank.

Inzwischen war auch Paulina gekommen und hatte einen Transportwagen mitgebracht, sodass die weitere Tour mit der Kiste nicht zur Tortur werden sollte.

GF Kuratorin Paulina OE1YPP und OM Jens DH1AKY bei der Übergabe der Nachlasskiste von DL5AOJ (sk)

Jetzt kam aber der wesentlich spannendere Teil: Wenn ihr schon mal da seid, meinte Paulina, dann führe ich euch mal durch das Archiv. Hinter einer unspektakulär schnöden Brandschutztür im 2. OG ging es dann doch in nett gestaltete Büroräume. Zuerst machte uns Paulina mit dem Gründer des Archivs, genauer gesagt mit seinem Arbeitsplatz bekannt. Wolf war wenige Tage zuvor verstorben. Das Bild zeigt den Arbeitsplatz also, wie dieser ihn verlassen hatte.

Arbeitsplatz von Wolf Harranth im DokuFunk-Büro kurz nach dessen Tod.

Wir hatten von dem Tod erst nach unserer Ankunft erfahren und waren sehr betroffen. Nach einer – irgendwie spontan entstandenen Schweigeminute – ging es dann an die weitere Vorstellung.

Das Archiv beherbergt neben einen umfassenden QSL-Gesamtarchiv auch spezialisierte Privat-Sammlungen, wie zum Beispiel die sogenannte Yasme-Collection, mit 1 Mio. QSL Karten die weltweit größte Privatsammlung.

Paulina erläutert meiner Partnerin Anne die Entstehung und den Umfang der hier im Bild zu sehenden Yasme-Collection.
Auch ausgefallene Exponate aus der Rundfunkgeschichte finden sich hier. Man achte auf den Kasten rechts.
Dies ist ein Radioskop.

Noch nie gehört? Ich bis dato auch nicht. Vom Funktionsprinzip ist es ein Mini-Episkop, in welches Papierstreifen eingelegt werden, die in etwa Kleinbildformat haben und im Vorfeld mit der Programmzeitschrift verteilt wurden. Der geneigte (oder vermögende?) Hörer, der sich beides leisten konnte war damit in der Lage, visuelle Begleitinformation zum Runfunkprogramm an die Wand zu “beamen” (was sicher nur in dunkler Umgebung funktionierte). Hätte Paulina das Gerät nicht zufälligerweise bei eBay entdeckt, wäre es heute wohl nicht in der Sammlung von DokuFunk.

“RADIO-BILD” Streifen für das Radioskop. Sorry, etwas unscharf geworden.

Die Büroplätze im 2. OG beinhalten noch Digitalisier-Arbeitsplätze für Papier und für Audio-Medien mit entsprechender Schnitt-Technik. Da DokuFunk nicht nur Amateurfunk-Archvierung betreibt, sondern auch vom ORF getragen wird, ist es ebenfalls ein Anliegen, dessen Bestände in die digitale Nachwelt zu retten.

Und ja, es gibt auch eine Amateurfunk-Clubstation dort: OE1XQC

Beeindruckender waren dann noch die großen Archivräume, die einerseits ORF Sendematerial und andererseits die QSL Collection behinhalten. Das folgende Bild ist der Versuch, die Dimension der zweistöckigen Anordnung ein wenig einzufangen.

Im Archiv werden auch fast alle funkspezifischen Zeitschriften gelagert.

Dann gab es noch einige QSL-Karten-Kuriositäten zu sehen, die das Archiv auch gerne annimmt:

QSL Karten aus ausgesägtem Sperrholz
Spielkarten als QSL-Karten
Geldscheine als QSL Karten, anscheinend billiger als das Papier.

Auch in besten Archiven kann nur menschliches geleistet werden. Hier die noch nicht aufgearbeiteten Überlassungen, die im Rahmen einer Hamradio in Friedrichshafen übergeben wurden. Fast wie im eigenen Keller zu Hause 🙂

unbearbeitetes Material

Da ist es dann doch besser, wenn man über solche Schränke und ein gutes Sortiersystem verfügt. DokuFunk freut sich übrigens über Archivschränke. Wer also so etwas übrig hat, meldet euch mal bei Paulina.

Paulina und Jens in der QSL-Referenzsammlung. Hier wird jeweils von jedem QSL-Karten Design zu jedem Rufzeichen genau ein Exemplar archiviert.

Fazit: Meine Partnerin Anne und ich haben während der “Privatführung” erstaunliches gelernt und mit Paulina eine Kuratorin kennengelernt, die für ihre Berufung lebt und eine würdige Nachfolge von Wolf Harranth ist. Wir möchten uns (trotzt des sehr späten Beitrages jetzt) nochmals auf diesem Weg für die Gastfreundschaft in Wien bedanken und wünschen DokuFunk eine möglichst sichere und erfolgreiche Zukunft. Die Sammlung ist einmalig, Spenden für den Betrieb werden vom Verein gern entgegengenommen und auch dringend benötigt. Wir haben es in der Hand, ob diese außergewöhnliche Sammlung überleben wird. Das kleine Österreich schultert da gerade sehr viel.

Warum der große DARC nicht zu den Trägerorganisationen dieser umfangreichen Sammlung gehört, können sicherlich nur ein paar alte Herren der letzten Vorstände beantworten. Der Schritt wäre überfällig. Auch andere große Organisationen wie unsere amerikanischen Freunde der ARRL könnten ein wenig beitragen, (Amateur-) Funk ist kennt schließlich keine Grenzen.

Weitere Informationen zu DokuFunk unter https://www.dokufunk.org/

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