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Aug 20th, 2021 Comments: 1

China-Gadget: 35MHz – 4.4GHz Spektrum Analyzer

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Plurk
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Im UKW-Contest stellt sich manchmal die Frage, wie weit kann ich meine Endstufe aussteuern, ohne dass zu viele Störungen entstehen. In Ilmenau haben wir ja auf relativ kleinen Raum viele Stationen und man möchte sich nicht gegenseitig unnötig stören. Die andere wiederkehrende Frage beim Aufbauen für den Contest: Sendet mein Transverter auf dem Mast überhaupt was?

Für beide Probleme ist ein kleiner Spektrumanalyzer das ideale Instrument. OK, ein SDR-Empfänger würde es auch tun, wäre aber letztlich deutlich teurer und umständlicher. Spektrum Analyzer waren vor Jahren teures Profi-Equipment im 10k€++ Preissegment. Jetzt gibt es auf AliExpress mehrere Typen zwischen 30 und 500 €. Ja mei, unsere Chinesen…

Bei meinem Freund Jens, DH1AKY haben ich den Tiny Spectrum Analyzer gesehen, der von 100 kHz bis 350 MHz geht und ein 2,5″ Display hat. Ein schönes Ding (Jens, vllt, kannst du das mal vorstellen), aber ich wollte ein größeres Display und wenn möglich auch unsere Transverter im
13cm und 9cm-Band abdecken, also bis etwa 3.5 GHz was sehen.

So habe ich mich spontan entschlossen einen no-name 35 MHz – 4.4 GHz Spectrum Analyzer bei AliExpress zu bestellen, der dort von vielen Händlern im Preissegment von 40 – 150 € angeboten wurde. Für insgesamt 50,-€ landete also so ein Exemplar bei mir an.

Der Spektrum Analyzer: 4.3″ ist schon eine angenehm lesbare und handhabbare Bildschirmgröße

An dieser Stelle ein kleiner Einschub zum Direktimport aus China. Seit Juli ist auf den ersten Euro die Einfuhrumsatzsteuer fällig (19%) und die ehemalige Freigrenze von praktisch 25,- entfällt. Das ist insoweit erstmal OK. Schwierig wird es, wenn die Post (oder wer auch immer das Paket bringt) für die Erhebung der Steuer nochmal 6,- extra haben will und man dann vllt. auch noch gezwungen wird, eine Postfiliale oder Paketshop zu besuchen. Ich hatte mir extra eine EORI-Nummer besorgt, um die Steuer darüber direkt mit dem Zoll abrechnen zu können. Aber unsere Chinesen haben sich echt geschmeidig erwiesen. Die Steuer wird jetzt gleich im Warenkorb bei AliExpress aufgeschlagen und das Paket offensichtlich vorversteuert. Ich kann aber nicht sagen, ob das jetzt alle so machen.

Im Paket lag also der handgroße Spektrum-Analyzer und überraschenderweise eine kleine Gummiwurstantenne. Sonst nichts, auch keine Anleitung.

Das Teil habe ich also erstmal an ein USB-Ladegerät angeschlossen (USB-C) und den internen Akku aufgeladen.

In der Zwischenzeit kann man sich ja mal anschauen, was das für eine Antenne ist. Also diese an meinen Nano-VNA gesteckt. Es ist eine Antenne für PMR-Funkgeräte im 446 MHz-Bereich.

Technik

Das fehlende Handbuch ist erstmal kein sonderliches Problem. Männer lesen sowieso nur selten Handbücher 😉 und beim Bespielen bekommt man schnell mit, wie es läuft. Man findet es aber, wenn man nach “LTDZ Spectrum analyzer manual” googelt. Das das Teil so heißt, geht nur aus manchen AliExpress-Angeboten hervor, auf dem Gerät selbt fehlt jeglicher Hinweis auf einen Namen oder einen Hersteller.

Der Spektrum Analyzer hat keinen Touchscreen, es wird alles über den seitlichen Dreh-/Druckknopf bedient. Mitunter ist das etwas umständlich, funktioniert aber. Die Funktionalität ist dabei auch nicht wirklich groß:

  • Start/Stop des Scannens
  • Startfrequenz
  • Bandbreite
  • Offset und Verstärkung

Intern bestet der Kern des Spektrum Analyzers aus einem ST-Mikroprozessor mit ARM-Kern. Dieser steuert den Tracking-Generator, einen ADF4351, der den nutzbaren Frequenzbereich von 35 – 4400 MHz vor gibt. Anscheinend gibt es keinen Eingangsverstärker, das Eingangssignal und der Tracking-Generator treffen sich direkt an einem Mischer. Hinter dem Mischer sitzt ein Detektor und danach ein AD-Wandler. Die angegebenen 90dB Dynamik passen gut zu einem 16-bit ADC. Der Detektor soll laut Handbuch eine feste Bandbreite von 500 kHz haben.

Das Teil ist auch als Leiterplatte ohne Gehäuse, Bildschirm und Akku zu haben (Betrieb am PC)

Dem Preis geschuldet, muss man also mit den folgenden Nachteilen leben:

  • Der fehlende Eingangsverstärker macht den Spektrum Analyzer recht taub. Im Handbuch wird darauf verwiesen, ggf. einen externen Verstärker vorzuschalten. Diese gibt es auch für wenig Geld, aber im portablen Feldeinsatz dürfte das ehr unkomfortabel sein. Aber für feste Anwendungen könnte man hier zusammen mit einer passenden Antenne was bauen können. Natürlich gibt es auch kein zuschaltbares Dämpfungsglied, dass bei starken Signalen auch sinnvoll wäre.
  • Es ist hardwareseitig nur eine feste Bandbreite des Detektors von 500kHz vorhanden. Die softwareseitig einstellbaren niedrigeren Stufen sind in der Hardware nicht unterstützt (siehe unten). In teuren kommerziellen Spektrum analyzern treibt man an dieser Stelle auch einen unvorstellbar größeren Aufwand.

Als erstes fällt unangenehm auf, dass sich die Span (überstrichener Frequenzbereich) bzw. die Stopfrequenz aus der eingestellten Bandbreite ergibt. Je kleiner die Bandbreite, desto kleiner die Span. Ich kann das Prinzip dahinter verstehen, da sind genau 700 Punkte auf dem Display und die Schrittweite ist eben so, dass jeder Displaypunkt ein Messpunkt ist. Dadurch bleibt die Aktualisierungsrate konstant bei ca. 800ms.

Es ist nicht gleich offensichtlich, aber das Handbuch verrät, dass die “Magnification” und Offset Einstellungen direkt die Kalibrierung des Gerätes verändern. Die Kalibrierung ist bei der Mini-Hardware und dem Riesen-Frequenzbereich sowieso kaum glaubwürdig. Wer das braucht, hat aber die Möglichkeit, über ein bekanntes Dämpfungsglied (und je nach Anforderung einer bekannten kalibrierten Signalquelle) hier selbst für im interessierten Frequenzbereich für definierte Verhältnisse zu sorgen. Praktische Konsequenz ist aber, dass man nicht einfach ein schwaches Signal heraus vergrößern kann (siehe unten), ohne die Kalibrierung zu verstellen. Meiner Meinung nach gehört eine Gerätekalibrierung auch nicht in die erste Menüebene (gibt hier aber nur eine).

Man hat also in der Firmware die komplette Abstraktionsebene der Datenskalierung eingespart. Als Software-Ingenieur, der täglich mit ähnlichen Sachen zu tun hat, greife ich mir da an den Kopf. Eh, das ist kein Bastelprojekt (oder doch?), das Teil wird offensichtlich in Massenvertigung produziert. Dazu kann man in der Software kleinere Bandbreiten einstellen, die hardwaremäßig nicht unterstützt werden.

Erste Tests

Als Testgerät habe ich kurzerhand mein Baofeng UV-5 Dual-Band Handy genommen.

Prima, die Sendefrequenz sieht man als deutlichen Spike. Das Teil funktioniert schonmal prinzipiell. Die Breite des Spikes mutet aber visuell zu groß an. Das ist sicher die Folge der internen größeren Bandbreite. OK, wenn mans weiß, ist das nicht so sehr schlimm.

Signal des Baofeng auf 70cm

Deutlich unschöner: Wenn mein Baofeng im 70cm-Band sendet, sehe ich auf dem Spectrum Analyzer auch bei etwa 150MHz Nadeln. Sollte das Baofeng da solche Nebenaussendungen produzieren? Das wäre ganz schön frech.

Also vergleichen wir die Sache mal mit einem richtigen Spektrumanalyzer der 20k€ Klasse, einem Rhode&Schwarz FSL. Dort ist bei 150 MHz nichts zu sehen. Der Schuldige ist also der kleine Spektrum Analyzer.

Nächster Versuch, ich will meinen IC-9700 mit meiner Yagi auf dem Dach auf 144MHz senden sehen. Dazu nehme ich erstmal eine auf 144 MHz resonante Antenne für den Spektrum Analyzer. Trotzdem sehe ich nur einen sehr zaghaften Peak. Das Teil ist also recht unempfindlich, was eigentlich fast klar ist.

Um dennoch was zu sehen, kann man im Menü die “Magnification” erhöhen (siehe oben). Also auf deutsch, die digitale Verstärkung aufdrehen. Leider bewegt sich dadurch auch der Rauschpegel. D.h. das Signal verschwindet völlig vom Bildschirm. Mit den Offset-Einstellungen kann man das Signal dann wieder holen. Mit etwas Hartnäckigkeit bekommt man so iterativ doch das Sendesignaldes IC-9700 gut abgebildet.

Wieder ärgerlich ist an dieser Stelle, dass es einem die Software durch völliges Fehlen jeglicher Eigenintelligenz so schwer macht. Es wäre durchaus möglich, den Offset automatisch anzupassen und nur die Skala entsprechend zu ändern. Dann könnte man die Empfindlichkeit des Gerätes über die Magnification leicht den Gegebenheiten anpassen. Aber wie gesagt, die Software-Ebene der Datenskalierung fehlt ja völlig.

Zusammenfassung

Das hier waren die Eindrücke von einem ersten recht kurzem Test. Mit der Zeit wird man damit vermutlich noch besser warm werden und was es für die eigentlich vorgesehene Anwendung bringt, muss man auch erstmal sehen.

Die PC-Software dazu habe ich noch nicht gesucht und probiert. Das kommt sicher noch.

Für 50,-€ sollte man nicht zu viel verlangen und zunächst ist der Spektrum Analyzer auch ein tolles Spielzeug. Die Hardware ist echt minimalistisch. Das ist erstmal für den Preis OK, aber für das doppelte Geld hätte man den zehnfachen Nutzen heraus holen können. Die Software ist auf Dilletanten-Niveau und enttäuscht an mehreren Punkten. Das ist richtig ärgerlich. Vielleicht verbessert sich die noch. Theoretisch sollte sich der St-Prozessor updaten lassen, aber es ist unklar und völlig, ob da nochwas nach kommt.

Ich mag das Teil deshalb nicht zum Kauf empfehlen, weiß aber nicht, ob es in der Billigklasse tatsächlich etwas besseres gibt, was meinen Anwendungsfall abdecken würde.

Sollte sich jemand trotzdem zum Kaufen entschließen: Dieser Spektrum Analyzer wird von vielen chinesischen Händlern in vielen Versionen (nackte Leiterplatte, Gerät ohne und mit Akku, ggf. mit unterschiedlichem Zubehör) angeboten. Man muss sehr aufpassen. Die gleiche Variante wie hier beschrieben aber OHNE Akku habe ich auch schon zum doppelten Preis gesehen.

Dieser Beitrag ist eine etwas gekürzte Fassung der Rezension von meinem Blog (wo er auch auf englisch zu finden ist)

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Comments

( 1 )
  1. Jens Wagner Sep 3rd, 2021 20:55

    Wenn erst einmal eine solche Hardware auf dem Markt ist, finden sich genug Freiwillige, die für das Teil eine gute Software schreiben. So geschehen beim NanoVNA und beim Tiny Spectrum Analyzer.
    Hier anscheinend auch schon, siehe https://github.com/kalvin2021/ltdz-dsp
    Vermutlich steckte der Hersteller deswegen kein Geld in die Softwareentwicklung.

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